Seit meinem 16. Lebensjahr höre ich leidenschaftlich gerne klassische Musik. Ich kann nicht spielen, aber ich höre viel besser zu. Von Bach bis Sergei Rachmaninov und allem, was dazwischen liegt. Ich freue mich, meine Top 3 mit Ihnen zu teilen.
Johann Sebastian Bach Orkestsuite Nr.3 in D, BWV1068 – Air
Vielleicht errate ich jetzt Ihre Gedanken. Sie denken: Ich kaufe mir eine CD, um ein wenig in die klassische Musik eingeführt zu werden, und dann bekomme ich diesen Klingelton-Klassiker. Eine wenig überraschende Wahl. Dann sage ich: Der Tag beginnt immer mit dem Aufgang der Sonne. Und jedes Mal ist es von einer unbeschreiblichen Schönheit. Es kann einem so vorkommen, als würde man es zum ersten Mal sehen. Genauso kann Air auf Sie wirken, als würden Sie es zum ersten Mal hören, wenn Sie wirklich zuhören.
Bach hat in seinem Leben viele Kinder verloren. Er hat seine erste Frau verloren. In seinem Leben hatte er keinen Ruhm und keine Anerkennung; seine Werke wurden oft nur einmal aufgeführt oder als Tischdekoration verwendet. Als er seine Position verbessern konnte, warf ihn sein Arbeitgeber für einen Monat ins Gefängnis, damit er seine Meinung änderte. Er ging mit seiner Arbeit hausieren, aber nur wenige Menschen zeigten wirkliches Interesse. Und als er nach einem schwierigen und bitteren Leben starb, sah er nicht von einer idyllischen Wolke aus, wie alle plötzlich seine Musik verstanden. Nein… die Punkte gingen verloren, wurden zum Anbinden von Obstbäumen oder zum Abdichten von Rissen in einem Fenster verwendet, und er sah, wie seine Frau ohne einen Cent weiterleben musste.
Glauben Sie, dass Bach, als er sich eines Tages, gequält von Geldsorgen und anderen Leiden, an seinen Schreibtisch zurückzog, wusste, dass er im Begriff war, eine Melodie zu schreiben, die zu einem der beliebtesten Musikstücke in der Geschichte der Menschheit werden würde?
Und deshalb hören Sie jetzt Air aus der Dritten Orchestersuite von Johann Sebastian Bach. Denn dies ist der Klang von unzerstörbarem Vertrauen, der Klang von eiserner Disziplin, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, gegossen in eine fast übernatürliche Schönheit. Denn kann man die Sonne zu oft aufgehen sehen? Kennen Sie das Gefühl des Verliebtseins zu oft? Schlafen Sie zu oft zufrieden ein? Trinken Sie zu oft ein Glas mit Ihren Freunden? Nein. Man kann also auch nicht zu oft Air hören.
Wolfgang Amadeus Mozart Pianokonzert nr.21 in C, K467 – Andante
Wenn ich die Möglichkeit hätte, einem zum Tode Verurteilten einen Augenblick Erleichterung zu verschaffen. Wenn ich die Chance hätte, einen Aufschub der Hinrichtung durch einen Eingeborenen zu bekommen, der mir mitten im Dschungel von Venezuela einen vergifteten Pfeil durch das Herz jagen will, hätte ich die Chance, einen Aufschub der Hinrichtung durch einen Außerirdischen zu bekommen, der mich zu Experimenten in seinen Weltraumbahnhof bringen will. Wenn ich die Chance hätte, einen Außerirdischen, der mitten in der Nacht neben meinem Bett steht, davon zu überzeugen, mich für Experimente über die Nützlichkeit der Menschheit auf sein Raumschiff mitzunehmen… würde ich dies spielen: das Andante aus Mozarts 21.
Ist es die beste Musik, die ich kenne? Es ist die Frau, von der Sie wissen, dass Sie sie nie heiraten werden. Zu schön, zu perfekt, kein Makel an ihrem Körper, keine Unebenheit, nur cremige Perfektion. Es ist die begabteste Musik, die ich kenne. Eine Liebeserklärung an die Menschheit. Amor taucht seine Pfeile in diese Klänge, Blumen öffnen sich, wenn Sie diese Komposition hören, Ihr Herz schmilzt wie ein Stück Butter in einer glühenden Pfanne. Dieses Stück ist eine Schönheit, eine echte Schönheit. Sie fragen sich vielleicht: Wer will schon ein Model heiraten? Das tun nicht viele. Zu schwierig. Aber sehen Sie, wir alle wollen das tun. Und deshalb tragen Models die Kleidung, die wir kaufen sollen, die Uhr, die wir tragen sollen, und sitzen in den Autos, die wir fahren sollen. Und genau das tut der zweite Satz des 21. Klavierkonzerts von Wolfgang Amadeus Mozart: Er macht Lust aufs Zuschauen.
Was ist also die Folge? Dieses musikalische Bonbon bekommen wir überall zu hören: im Fahrstuhl, in der Warteschleife, in unzähligen Werbeanzeigen. Denn das ist die Musik, auf die wir alle gut reagieren. Sie werden nie das Galgenmahl für eine zum Tode verurteilte Person servieren müssen. Im Dschungel wirst du nicht auf diesen einen mörderischen Indianer treffen, und dieser Außerirdische… diese Chance ist völlig vernachlässigbar. Also nutzen Sie diese Musik noch einmal für sich. Für sich selbst, für intensive Momente. Wenn man in einem heißen Bad versinkt. Oder wenn der Tisch gedeckt ist, die Kerzen brennen und Sie hören, wie Ihr Liebster den Schlüssel ins Schlüsselloch steckt.
Denn diese Musik ist ein Pflaster mit tausend süßen Küssen. Musikalisches Paracetamol. Eine warme Umarmung von allem, was gut ist. So schön, so unglaublich schön. Willst du, so fragen mich die Leute, dass dies bei deiner Beerdigung gespielt wird? Nein, sage ich. Viel zu schön.
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky Der Nussknacker, op.71a – Der Tanz der Zuckerfee
Das ist die Celesta. Der Name des Instruments leitet sich vom lateinischen Wort celeste“ ab, das himmlisch bedeutet. Und genau so klingt es auch: himmlisch. Es sieht aus wie ein kleines Klavier, aber das Innere ist komplett aus Glas. Daher auch der besondere Klang.
Die russischen Komponisten Tschaikowsky und Rimski-Korsakow lieferten sich einen Wettstreit darum, wer das Instrument als Erster in einer Komposition spielen durfte. Tschaikowsky hat gewonnen. Und wie! Der märchenhafte Klang wurde zur Visitenkarte des berühmten Balletts Der Nussknacker. Und der geheimnisvolle Klang wurde zum Symbol für alles, was magisch ist. Viele Soundtracks beziehen sich auf diesen kleinen, zarten Tanz. Denn das ist es, was es ist: der Tanz der Zuckerfee. Eine kleine Fee, die zwei Kinder am Weihnachtsabend in einer Zauberlaterne an all die fernen und exotischen Orte bringt, die sie sich schon immer sehnlichst gewünscht haben. Und durch die Hand der Zuckerfee wurde dieser Wunsch erfüllt. Mit roten Wangen flogen sie durch die ganze Welt. Doch am nächsten Tag stellte sich alles als Traum heraus und war verschwunden. Zum Glück für uns ist die Celesta kein Traum, und sie ist geblieben.